Kultur als Marke? – Ein paar Gedanken am Beispiel der „Skulptur Projekte Muenster“

Kunst und Kommerz – der Begriff der Kreativwirtschaft versucht, diese beiden Begriffe unter einen Hut zu bringen. Kulturelle Projekte müssen sich zunehmend aus eigener Kraft finanzieren oder zumindest ihren Anteil zum Kuchen beisteuern, um Fördermittel und die nötige Aufmerksamkeit zu erhalten. Dennoch scheuen Kulturschaffende oft die Sprache der Betriebswirtschafts- und Finanzwelt. Zu groß ist die Sorge, mit kommerziellen Unternehmen in einen Topf geworfen zu werden. Wo bleibt denn da bitte noch die künstlerische Idee?

Markenbildung versus künstlerisches Interesse

Kunst möchte hinterfragen, gesellschaftliche Prozesse reflektieren und spiegeln. Dazu gehört es oft auch, sich dem Mainstream zu verweigern. Meiner Ansicht nach aber vergeben Künstler Chancen, wenn sie die Mechanismen des modernen Marketings nicht kennen. Richtig angewandt schützt Kulturmarketing das künstlerische Produkt, nutzt aber alle anderen Instrumente zur Kommunikation, um eine Beziehung zu den Besuchern – oder wie der Marketer sagen würde: Konsumenten – aufzubauen.

Dies gilt auch und im Besonderen, wenn es um die Entwicklung einer Marke geht, die im Gedächtnis bleibt. Doch was ist eine Marke eigentlich genau? Und ist sie mit künstlerischen Interessen überhaupt vereinbar? Diesen Fragen möchte ich in meinem heutigen Blogpost auf den Grund gehen.

Gestalterisches Konzept

Den Ausgangspunkt meiner Überlegungen bildete eine Pressekonferenz, auf der das Team der „Skulptur Projekte Muenster“ sein Konzept für die Ausstellung 2017 vorstellte. Die „Skulptur Projekte Muenster“ sind ein ausgesprochen prominentes künstlerisches Ausstellungsformat, eine echte Institution in unserer Westfalenstadt. Seit 1977 findet die Ausstellung von Skulpturen und Plastiken alle zehn Jahre im öffentlichen Raum in Münster statt.

Mit dem gestalterischen Konzept des schweizerischen Duos Urs Lehni und Lex Trüb für 2017 zeigen sich die Webseite und die Kanäle auf den sozialen Netzwerken bereits jetzt in einem unverwechselbaren Design. Umso überraschter war ich, als auf der Pressekonferenz verkündet wurde: „Das gestalterische Konzept ist eine Reaktion darauf, dass es nicht darum geht, eine Marke zu kreieren. Es handelt sich um eine Ausstellung, die kein Branding nötig hat.“ Bäm.

Juristischer Markenbegriff

Für mich wirft diese Äußerung Fragen auf: Worin genau liegt hier der Unterschied zwischen einer klassischen Markenführung und dem Konzept von Lehni/Trüb, so wie es sich derzeit präsentiert? Gibt es überhaupt einen? Und warum wird dieser Aspekt von den Verantwortlichen so betont?

Hierfür gilt es, an allererster Stelle erstmal zu klären, was überhaupt gemeint ist, wenn von einer Marke die Rede ist. Der juristische Begriff ist von dem Marketing-Begriff deutlich abzugrenzen.

„Im rechtlichen Bereich wird eine rechtlich geschützte Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen durch Hersteller oder Handelsunternehmen als Marke (Rechtsschutz) bezeichnet. Hier wird im Besonderen noch zwischen Wortmarke, Bildmarke, Bild-/Wortmarke, 3D-Marke, Hörmarke, Farbmarke, Tastmarke (haptische Marke), Geruchsmarke sowie speziellen Formen wie Hersteller- und Handelsmarke, Dachmarke, Personenmarke unterschieden“, –

so ist es auf juraforum.de zu der rechtlichen Bedeutung einer Marke zu lesen.

Um eine Marke als ein bestimmtes rechtlich geschütztes Objekt zu kennzeichnen, müssen wesentliche und gesetzlich festgelegte Kriterien erfüllt sein, auf die ich jetzt nicht im Detail eingehen möchte. Viel interessanter in diesem Zusammenhang finde ich die Frage, welche Definitionen sich in der Marketingliteratur finden lassen.

Wirkungsbezogenes Markenverständnis

Walsh/Deseniss/Kilian gehen in ihrem Buch „Marketing, Eine Einführung auf der Grundlage von Case Studies“, 2. Auflage, neben dem juristischen Verständnis, das sich an Merkmalen orientiert, zudem auf ein eher wirkungsbezogenes Markenverständnis ein. Nach Kotter sei demnach

„eine Marke ein Name, ein Symbol oder Design (oder eine Kombination dieser), der bzw. das Konsumenten hilft, Güter oder die Dienstleistung von verschiedenen Anbietern zu unterscheiden“.

Des Weiteren zitieren die Autoren Wheeler:

„[Eine Marke ist] das Versprechen, die große Idee, die Reputation und Erwartungen in der Vorstellung des Konsumenten in Bezug auf ein Produkt und/oder Unternehmen.“ (S. 292)

Noch offener formulieren es Burmann/Halaszovich/Hemmann in ihrem Buch „Identitätsbasierte Markenführung, Grundlagen – Strategie – Umsetzung – Controlling“, indem sie eine Marke in Anlehnung an Burmann/Blinda/Nitschke als

„ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen [definieren], die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppen nachhaltig differenziert“. (S. 28)

Bündel von Eigenschaften

Logo oder kein Logo, das ist hier die Frage. Foto: Ek

Logo oder kein Logo, das ist hier die Frage. Foto: Ek

Eine Marke also nur dann als Marke anzuerkennen, wenn sie rechtlich geschützt ist und ein Logo besitzt, greift nach dieser Definition zu kurz.  Nun kann man sich natürlich streiten, ob der kreisförmig angeordnete Schriftzug „Skulptur Projekte Muenster“, der uns beispielsweise als Profilbild der Facebook-Fanpage begegnet, als Logo zu deuten ist.

Ein Bündel von Eigenschaften tragen die Schrifterzeugnisse und Werbemittel – wie zum Beispiel die farbenfrohen Frisbee-Scheiben – allemal. Doch reicht das schon, um landläufig als Marke definiert zu werden? Für mein Verständnis und im Sinne der identitätsbasierten Markenführung: Ja.

Auffallend ist für mich eine Gemeinsamkeit: Die Bejaung des konzeptionellen Denkens im Gegensatz zur Beliebigkeit. Es geht um Wiedererkennbarkeit und Konsistenz, also ein in sich stimmiges Auftreten. Es ist keine Neuigkeit, dass sich Botschaften, die sich wiederholen, einprägen.

Dennoch scheint an diesem Beispiel deutlich zu werden, wie wichtig Kunstschaffenden die Abgrenzung gegen einen rein kommerziellen Rahmen ist. Die Aussage, „etwas nicht nötig zu haben“ schafft Distanz, macht diese Abgrenzung spürbar. Das Kunstwerk als Sinnträger steht hier dem Produkt als Konsumgut gegenüber. Dennoch frage ich mich: Sagt der Begriff Marke tatsächlich etwas darüber aus, worum es sich bei dem gebrandeten Projekt, Objekt oder Produkt handelt? Oder lässt er sich nicht vielmehr auch auf andersartige Konzepte übertragen, ohne dass damit automatisch eine (Ab-)Wertung einher gehen muss.

Branding muss nicht automatisch nur das Erzielen von Erträgen wollen, es kann auch auf das Image einzahlen.

Ich persönlich würde mir einen entspannteren Umgang mit den Begriffen des Marketings im kulturellen Bereich wünschen, der eine Abgrenzung, wie ich sie oben beschrieben habe, für Kunstschaffende gar nicht mehr nötig macht.

Seit ich vor ein paar Jahren angefangen habe, mich mit Kulturmanagement auf Basis einer berufsbegleitenden Fortbildung zu beschäftigen, habe ich eine Menge über die Anwendung entsprechender Strategien und über Kommunikationsprozesse gelernt. Die Mechanismen, nach denen Menschen ticken, sind dieselben, egal ob sie sich mit Konsumgütern oder Kunst beschäftigen.

Mein Fazit: Es ist nicht verwerflich, sich funktionierender Strategien aus dem Marketing-Bereich zu bedienen, im Gegenteil kann es sogar sehr sinnvoll sein. Es hilft mir, mich auf die entscheidenden Eigenschaften meines Konzeptes zu fokussieren und mit meiner Zielgruppe eine Kommunikation aufzubauen, die im Gedächtnis bleibt. Daher mein Appell: Mut zur Marke! Es gibt wahrlich Schlimmeres, als mit Kunst ein Basisbedürfnis zu erfüllen und von anderen unterscheidbar zu sein.

 

 

 

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