Remote Work Arbeitsplatz

Homeoffice: Unser Weg zu Remote Work

Seit der vergangenen Woche ist mein Team im Homeoffice. Der Schritt war notwendig, um uns und unsere Lieben in Coronazeiten zu schützen – und auch um die Handlungsfähigkeit unseres Verlages sicherzustellen. Von einem Tag auf den anderen auf Remote Work umzuswitchen, erfordert nicht allein technische Anpassungen, sondern auch neue Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Und eine große Portion Vertrauen.

Seien wir ehrlich: Unter anderen Umständen hätte unsere Geschäftsführung sicher keiner Lösung wie dieser so ad hoc zugestimmt. Zwar erfüllen wir als Journalist*innen die besten Voraussetzungen, um von zu Hause aus zu arbeiten, dennoch stand die Homeoffice-Option bislang nur Redaktionsmitgliedern in leitender Funktion zur Verfügung. Aus gutem Grund.

Büroarbeit: Wie wir es gewohnt sind

Ja, ich kenne alle Argumente derer, die New-Work-Modelle feiern. Und ich unterstütze sie auch. Auf der anderen Seite gibt es gute Gründe, gemeinsam an einem Ort zu arbeiten. Der direkte Kontakt ist Alltag, wir begegnen uns auf dem Flur oder am Kaffeeautomaten. Als Vorgesetzte*r bekommst du vieles mit, das dir bei Remote Work verborgen wäre. Arbeitszeiten werden vor Ort elektronisch erfasst.

Und ja, auch wenn darüber manch eine*r den Kopf schütteln wird: Kontrolle ist nicht das Schlechteste, wenn sie sorgsam erfolgt. Nicht jede*r ist schließlich für den selbstorganisierten Dienst geboren. Und der persönliche Kontakt befriedigt auch soziale Bedürfnisse. Abgesehen davon, dass klassische Arbeitsmodelle kulturell geprägt und auch eingeübt sind – und neue anderes Wissen und andere Fähigkeiten erfordern.

Homeoffice: Zwei Seiten einer Medaille

Vorgesetzte befürchten, ihre Mitarbeitenden könnten die Freiheit des Homeoffice nutzen, um weniger zu arbeiten. Studien zufolge ist allerdings das Gegenteil der Fall: Gerade weil die Kontrolle fehlt und diese Vorbehalte bestehen, arbeiten Remote Worker eher zu viel als zu wenig. Auch kann es schwierig sein, Privat- und Berufsleben voneinander abzugrenzen, wenn die räumliche Trennung nicht gegeben ist. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, kann ständiger Begleiter sein.

Autonomie auf der einen, mangelnde von außen vorgegebene Strukturen auf der anderen Seite. Eine Mischung, die zu Stress, Reizbarkeit und weiteren gesundheitlichen Beschwerden führen kann. In Bezug auf all diese Faktoren Vorsorge zu treffen, ist eine Führungs- und auch eine Selbstführungsaufgabe, die Vorgesetzte nicht aus dem Blick verlieren sollten.

Unsere wichtigsten Maßnahmen

Um diese unterschiedlichen Aspekte nicht außer Acht zu lassen, haben wir im Team einige konkrete Maßnahmen umgesetzt und Absprachen getroffen. Manche wurden von der Geschäftsführung vorgegeben, andere haben wir selbst entwickelt:

  1. Der tägliche Morning-Call

Wo nonverbale Zeichen fehlen und der zufällige Kontakt auf dem Flur nicht möglich ist, ist eine gelungene Kommunikation das A und O. Abraten möchte ich von E-Mail-Schlachten, da diese nur den Posteingang verstopfen. Wir beginnen den Tag als Team mit einer gemeinsamen Telefonkonferenz, in der jede*r drei Fragen beantwortet:

  • Wie geht es mir heute?
  • Woran arbeite ich gerade?
  • Welche Fragen/Anmerkungen bringe ich mit?

Auf diese Weise kommen wir ins Gespräch und erfahren, was die jeweils anderen bewegt und wo Klärungsbedarf besteht. Weitere Absprachen können anschließend im kleineren Kreis getroffen werden. Zusätzlich werden wir in Kürze ein Kommunikationstool einführen, das uns das Chatten zu zweit oder in Gruppen ermöglicht.

  1. Unser Homeoffice-Beauftragter

Technisch hat unser ITler uns eine sehr gute Umgebung geschaffen, sodass unsere Arbeit derzeit nahezu reibungslos funktioniert. Mental und auch organisatorisch braucht es zu der „Hardware“ natürlich auch entsprechende „Dienstprogramme“. Seit letzter Woche haben wir daher einen Homeoffice-Beauftragten, dessen Aufgabe darin besteht, sich um alles zu kümmern, was wir brauchen, damit das Vorhaben gelingt.

Dazu zählt beispielsweise eine Kommunikationsstruktur innerhalb unseres zusätzlichen Tools – sprich: Welche Gruppen benötigen wir, welche Themen werden getrennt voneinander besprochen? –, aber auch mentale Fitness. Er setzt sich derzeit damit auseinander, was uns helfen kann, bei der Fernarbeit konzentriert und leistungsfähig zu bleiben.

Und dafür liest er sich nicht nur ein, sondern entwickelt auch selber pfiffige Ideen. Beispielsweise habe ich mir bei ihm abgeguckt, morgens „zur Arbeit zu gehen“. Das bedeutet, vor Arbeitsbeginn eine Runde um den Block zu machen, um zwischen privater Zeit und Arbeitszeit eine symbolische Trennung zu schaffen. Generell helfen Routinen  dabei, den Tag zu strukturieren und nicht aus dem Rhythmus zu geraten.

  1. Klare Kompetenzen

Kontrolle hindert, wenn sie Misstrauen signalisiert. Im Homeoffice ist Vertrauen das Gebot der Stunde. Dazu zählt es auch, klare Kompetenz-Strukturen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass jeder auf wichtige Informationen zugreifen kann. Wir haben daher einen Bereich angelegt, den alle Teammitglieder einsehen können

Hier befinden sich aktuelle Planungsübersichten und Ähnliches. Dies dient nicht der Kontrolle des Einzelnen, sondern der Sicherheit der Gruppe. Sollte jemand ausfallen oder kurzzeitig nicht erreichbar sein, entsteht nicht sofort ein Informationsloch, sondern die Arbeit kann lückenlos fortgeführt werden.

Gemeinsames Ziel

Eines ist klar: Ohne eine Vision und die Bewegung in eine gemeinsame Richtung ist es schwer, in Krisenzeiten zu bestehen – Organisationsstruktur hin oder her. Ob Grafik, Redaktion oder Anzeigenabteilung – wir sitzen alle in einem (Verlags-)Boot. Um unser aller Arbeitsplätze zu erhalten und unsere Branche, die Bäcker, zu stärken, müssen wir an einem Strang ziehen. Und das tun wir auch.

Auf niemanden möchte ich auf diesem Weg verzichten. Auch wenn die Stärken und Fähigkeiten unterschiedlich sind, so steht fest: Ein Unternehmen wie unseres fährt nicht durch den Steuermann/die Steuerfrau allein. Wir brauchen Ideen- und Impulsgeber*innen, Kreative und Fleißige, Mutmacher*innen und Fürsorger*innen, Laute und Stille. Wir brauchen jede und jeden einzelnen. Und wir haben ein gemeinsames Ziel.

Ich freue mich schon jetzt auf den Moment, an dem wir realisieren, was wir in all den arbeitsreichen Monaten geschaffen haben, die jetzt noch vor uns liegen.

 

Titelfoto: Free-Photos / Pixabay.com 2020

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