Ein gutes Interview eröffnet neue Perspektiven, vermittelt persönliche Einblicke und entwickelt eine packende Dynamik. Interviews sind nicht nur Mittel zur Informationsgewinnung. Sie sind eine der menschlichsten Formen der Kommunikation. In der Begegnung von Fragenden und Befragten entsteht – bestenfalls – Wahrhaftigkeit. Ein gelungener Dialog zeigt nicht nur, was, sondern auch, wie jemand denkt. Genau deshalb liebe ich diese Textform.
Kompakt, klar, klug
Grund genug, mich noch einmal intensiver in die Materie einzuarbeiten. In seinem Buch „Interviews führen“ gelingt Christian Thiele das Kunststück, zum Thema viel Nutzwert auf wenig Raum zu bieten. Auf nur 142 Seiten vermittelt er kompaktes Wissen. Ob Einsteiger:in oder erfahrene Medienmacher:in – wer Interviews führt oder führen will, findet hier praxisnahe, leicht umsetzbare Tipps.
Dabei richtet sich das Buch nicht nur an Journalist:innen, sondern auch an Podcaster:innen, Kommunikationsprofis, Blogger:innen oder PR-Leute. Wer Inhalte in Gesprächsform aufbereitet, bekommt mit diesem Buch eine wertvolle Handreichung für alle Phasen des Interviewprozesses.
Von der Idee bis zur Freigabe
Thiele gliedert den Interviewprozess nachvollziehbar in verschiedene Phasen:
- Vorbereitung: Von der Recherche bis zur Auswahl passender Gesprächspartner:innen – hier entscheidet sich oft schon, ob ein Interview ausreichend Substanz bietet und die geeignete Textform darstellt.
- Gesprächsführung: Wie baue ich Vertrauen auf? Welche Fragen treiben das Gespräch voran? Wie gehe ich mit Abschweifungen um?
- Nachbereitung und Freigabe: Auch der Teil nach dem Gespräch bekommt Raum – etwa der Umgang mit O-Tönen, redaktioneller Feinschliff oder das Einholen von Freigaben.
Die systematische Herangehensweise des Autors ist besonders hilfreich für alle, die regelmäßig Interviews führen müssen – egal ob für Print, Radio oder Video.
Fragetechniken, die weiterführen
Besonders gut gefallen hat mir Thieles Fokus auf die verschiedenen Fragetypen und ihre Wirkung. Statt zu oberflächlichen Standardfragen oder zu weit gefassten Themen rät er zu offenen, klaren, aber gezielten Formulierungen. Solche Hinweise helfen dabei, aus Interviewten mehr herauskitzeln als Phrasen oder vorbereitete Statements. Auch der Umgang mit kritischen Momenten, etwa ausweichenden Antworten oder schwieriger Gesprächsdynamik, wird nicht ausgespart.
Ein weiterer Pluspunkt: Thiele differenziert zwischen Interviewformaten. Er zeigt auf, welche Besonderheiten Print-, Radio- oder Video-Interviews mit sich bringen, und wie man sich jeweils darauf einstellt. Gerade für medienübergreifend arbeitende Teams oder Freelancer:innen ist das ein großer Mehrwert.
Mein Fazit: Nützlich, motivierend, auf den Punkt
„Interviews führen“ ist ein kluges, gut strukturiertes Praxisbuch, das Interviews als das behandelt, was sie sind: ein Handwerksstück mit kreativer Komponente. Thieles Stil ist sympathisch, direkt, nie belehrend – und vor allem motivierend. Man merkt: Hier schreibt jemand, der selbst viele Interviews geführt hat und weiß, wo die Stolpersteine liegen.
Wer sich für Gesprächsführung interessiert, bekommt mit diesem Buch eine kompakte Toolbox für bessere Interviews – anwendbar auf viele Kontexte und sofort umsetzbar. Es macht Lust, sich (wieder) intensiver mit Fragen zu beschäftigen. Und mit dem, was zwischen den Zeilen liegt.