Schon vor längerer Zeit stieß ich auf das Buch „Jein – Beziehungsängste erkennen und bewältigen“ von Stefanie Stahl. Eine lohnenswerte Lektüre, erklärt sie doch von Grund auf, wie der Hase (davon) läuft und wie es zu den oft nur schwer verständlichen, erst recht schwer verdaulichen Verhaltensweisen beziehungsängstlicher Menschen kommt. Umso mehr freute ich mich nun auf die Lektüre das Nachfolgebandes „Vom Jein zum Ja!“, das mir der Ellert & Richter-Verlag in einer E-Mail als Rezensionsexemplar anbot. „Beziehungsangst verstehen und lösen“ lautet der Untertitel des Buches, das verspricht: Wenn es bislang nicht geklappt hat, geht es jetzt ans Eingemachte. Ich hatte entsprechend hohe Erwartungen an den Inhalt, doch wurde ich leider enttäuscht.
Ursachen eines seltsamen Verhaltens
Man hat’s nicht leicht. Ich denke, jeder hat in seinem Leben schon einmal mit Menschen zu tun gehabt, die mit großer Begeisterung in eine Beziehung einsteigen und sich dann plötzlich mehr und mehr aus der Verbindlichkeit rausziehen. Es werden Gründe vorgeschoben, die anfangs noch nachvollziehbar erscheinen. Doch je öfter Termine verschoben, Verabredungen nicht eingehalten und weitere Ausreden aufgetischt werden, desto mehr drängt sich die Frage auf: Was ist da los? Nicht immer, aber oft kann dann Beziehungsangst die Ursache des Verhaltens sein. Sie zeigt sich nicht nur in Partnerschaften, sondern kann ebenso in Freundschaften oder im beruflichen Umfeld eine Rolle spielen. Kann, nicht muss.
Die Geschichten beziehungsängstlicher Menschen sind so individuell wie die Menschen selbst, dennoch ähneln sie sich in auffallenden Punkten: In dem emotionalen Auf und Ab, dem Hin und Her, das die Dynamik einer solchen Beziehung auszeichnet. Nähe wird ersehnt und gesucht, doch wenn sie da ist, macht sie Angst und muss verhindert werden. Es folgt ein für Außenstehende oft unerklärliches Verhalten, ein ständiger Wechsel zwischen Nähe und Distanz, der seine Logik im Innern des Betroffenen hat, von außen aber unlogisch und willkürlich erscheint.
Dynamik der inneren Vorgänge
Verabredungen werden verschoben oder abgesagt, das eigene Verhalten mit anderen Maßstäben gemessen als das des Gegenübers. Wo eben noch Pläne geschmiedet wurden für ein gemeinsames Projekt, wird dies kurz vor seiner Realisierung plötzlich boykottiert, verlassen oder verhindert. Stefanie Stahl erklärt diese Dynamik und führt sie auf von Ängsten getriebene innere Vorgänge zurück, deren Wurzeln häufig bereits in der Kindheit liegen. Die Beziehung zu unseren Eltern prägt nachhaltig den Beziehungsstil, den wir auch als Erwachsene in unsere Beziehungen einbringen. Haben wir einen unsicheren Beziehungsstil erlebt und erlernt, kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen, anderen zu vertrauen und sich auf Nähe tatsächlich einzulassen.
So weit, so gut. Was Stahl im ersten Band detailliert erläutert, fällt in Band zwei ein wenig fader aus. Erneut fasst sie die Ursachen zusammen, sie tut dies allerdings in verkürzter Form und mit weniger Beispielen, die helfen, das abstrakte Wissen auf die Realität zu übertragen. Zu kürzen ist sinnvoll, denn schließlich möchte die Autorin einen anderen Schwerpunkt setzen. Auffallend jedoch ist, dass die sich wiederholenden Inhalte auf diesmal nur 176 Seiten (- im ersten Buch waren es 272 -) dennoch den Großteil des neuen Buches füllen. Neue Erkenntnisse sucht man lange Zeit vergebens.
Fazit
Immerhin korrigiert sich die Autorin in einem Punkt: Während sie ursprünglich die These vertrat, dass nicht zwangsläufig beide Partner in einer bindungsängstlich geprägten Beziehung Beziehungsängste haben müssen, so geht sie mittlerweile davon aus, dass dies in den meisten Fällen doch der Fall ist. Und auch ein paar neue praktische Übungen, um die Ängste zu überwinden oder als Partner besser mit der Situation umzugehen, finden sich in dem Buch. Doch reicht das nicht, um mich von der Lektüre zu überzeugen.
In meinen Augen hätte eine überarbeitete und erweiterte Auflage des Ursprungsbuches einen höheren Mehrwert für den Leser gehabt. Zum Preis von je 14,95 Euro (auf Amazon) sind beide Bücher im Handel zu haben. Ich möchte nach wie vor für das erste eine deutliche Leseempfehlung aussprechen.