Hätte sie es allein entscheiden müssen, wer weiß, ob ihre kleine dreiköpfige Familie überlebt hätte. Marga Spiegels Ehemann Siegmund fasste 1943 den Plan, sich, seine Frau und Tochter Karin bei Bauern im Umland vor den Nationalsozialisten zu verstecken. Zu den Höfen in der Umgebung pflegte er seit Jahren einen guten Kontakt. So fügte es sich und fünf Bauernfamilien retteten den Spiegels letztlich das Leben. Die Geschichte der Spiegels und ihrer Retter ist nun als Dokumentation auf DVD erhältlich.
Kooperation des LWL und der Villa ten Hompel
Rekonstruiert hat das Geschehen die Filmemacherin Petra Seeger. „Eine Herzenssache. Marga Spiegel und ihre Retter“ lautet der Titel des 45-minütigen Werkes, das in Kooperation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und des Geschichtsortes Villa ten Hompel entstanden
ist. Es ist ein Film gegen das Vergessen.
„Verboten war den Juden unter anderem Ankauf von Büchern, Ausstellungsbesuch, Benutzung von Kraftdroschken …“ – mit diesen Worten beginnt die Reise zurück und katapultiert den Zuschauer direkt mitten hinein ins Zentrum der schlimmen Ereignisse. Eine Stimme aus dem Off zählt auf. Die Auflistung nimmt kein Ende. Manches scheint absurd, das Verbot bestimmter Berufe zum Beispiel oder das der Nutzung nicht gelb gekennzeichneter Bänke, und dennoch war dies damals für die Juden in Deutschland bittere Realität. Auch für Marga Spiegel und ihre Familie.
Ethische Grundhaltung
Doch nicht nur menschenverachtende Praktiken prägten das Geschehen, auch die ethisch Grundhaltung jener katholischer Bauernfamilien, die ihr eigenes Leben riskierten, um das der Spiegels zu retten. Es hätten noch viel mehr gerettet werden können, resümiert Marga Spiegel Jahrzehnte später. Der Film erzähle „von zwei Jahren höchster Gefahr, von vielen Schwierigkeiten und immer neuen lebensrettenden Listen und von einem für alle Beteiligten glücklichen Ende“, erläutert Claudia Landwehr, Redakteurin der DVD. Entstanden ist eine schlichte und berührende Dokumentation über Glaube und Zusammenhalt in düsteren Zeiten.
Bereits Ende der 60er-Jahre hielt Marga Spiegel ihre Erinnerungen an ihre Verfolgung in Buchform fest. 2009 wurde es unter dem Titel „Unter Bauern“ verfilmt. Spiegel berichtet darin von den Ängsten, entdeckt zu werden, von Phasen voller Einsamkeit und Verzweiflung, aber auch von dem Mut und der Unterstützung ihrer Retter. Parallel zu der Verfilmung des autobiografischen Textes entstand auch die Dokumentation.
Die Zeitzeugin Marga Spiegel
Zeitzeugenberichte der noch lebenden Retter, Interviewbeiträge von Marga Spiegel und Erläuterungen des Historikers Dr. Hans Gummersbach werden darin verwoben mit Ausschnitten aus dem Spielfilm mit Veronica Ferres und Armin Rohde. Ein ausführliches Begleitheft liefert zusätzliche Informationen. Das 45-Minuten-Format eignet sich hervorragend für eine Schulstunde.
Lange Zeit habe sie sich schuldig gefühlt, weil sie überlebt hatte, erzählt Marga Spiegel. Zum Zeitpunkt des Drehs ist sie 97 Jahre alt. „Es ist schwer, damit zu leben“, sagt sie. Jahrzehntelang hatte sie als Zeitzeugin unzähligen Schülern vom Zweiten Weltkrieg erzählt, bevor sie im März des vergangenen Jahres, im Alter von 101 Jahren, starb. Zeitlebens pflegte sie den Kontakt zu ihren Rettern. „Für mich bleiben sie schlicht und einfach stille, wahre Helden.“
Die DVD „Eine Herzenssache. Marga Spiegel und ihre Retter“ ist im Shop des LWL-Medienzentrums erhältlich.
Kontakt: Cornelia Laumann