Einen Zufallsfund möchte ich euch in dieser Woche vorstellen, der auf Umwegen zu mir gelangt ist: „Die Insel der besonderen Kinder“ von Ransom Riggs. Dabei handelt es sich um eine phantastische Geschichte, in deren Mittelpunkt ein paar Kinder mit paranormalen Fähigkeiten stehen.
Jahrelang erzählt sein Großvater Jacob immer wieder Episoden über ein Kinderheim, in dem besondere Kinder lebten. Zum Beispiel ein Mädchen, das fliegen kann, ein Junge, der Bienen in sich trägt, und ein weiterer, der unsichtbar ist. Sie alle befänden sich auf einer Insel, auf der stets die Sonne scheine, berichtet der alte Mann. Jacob glaubt ihm kein Wort. Erst recht nicht, als der Großvater auch noch behauptet, Monster seien den Kinden auf den Fersen.
Außergewöhnliche Geschichte
Jacob hält die Schauermärchen für reine Fantastereien. Als sein Großvater jedoch unter mysteriösen Umständen stirbt und er ihn blutüberströmt im Wald findet, erblickt Jacob am Tatort eine grauenhafte Kreatur im Gebüsch, der Zungen wir Tentakel aus dem Mund ragen. Jacob ahnt das Schlimmste und macht sich schließlich auf eine Reise von Amerika nach Wales, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Was dann passiert, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Es wird spannend. Aber nicht nur die außergewöhnliche Geschichte, auch die Machart des Buches machen Ransom Riggs Debüt zu einem echten Leseerlebnis. Ich habe es in nur zwei Tagen verschlungen.
Sammlung alter Fotografien
Das erste, was einem auffällt, wenn man „Die Insel der besonderen Kinder“ zur Hand nimmt, sind die vielen Bilder, die das Buch beinhaltet. Jahrelang sammelte der Autor alte Schwarz-Weiß-Fotografien, die einige Sammler auf Flohmärkten und von ähnlichen Orten zusammen getragen hatten. „Sämtliche Bilder in diesem Buch sind authentisch“, schreibt er im Anhang.
Es handele sich um Aufnahmen von historischem Wert, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Doch auch wenn die Fotografien dies auf den ersten Blick nahelegen, in der Realität gibt es zwischen ihnen keinerlei Verbindung.
Besonderer Reiz
Den Zusammenhang zwischen den Motiven erschuf erst der Geschichtenerzähler, der sich von ihnen inspirieren ließ. Dem Buch verleihen sie einen besonderen Reiz. Nicht selten glitt mir beim Betrachten einer Fotografie im Kontext der Erzählung ein Schauer über den Rücken. Und noch etwas schwang für mich stets beim Lesen mit: meine Assoziationen zu Ereignissen im Dritten Reich.
Jacobs Großvater floh als Junge aus Polen vor den Nationalsozialisten und verlor durch sie seine gesamte Familie. Auch die Kinder auf der Insel, die ihm zur zweiten Familie wurden, kamen – so erzählen es sich die Dorfbewohner – im Bombenhagel durch die Nazis um. Einziger Überlebender: Jacobs Großvater.
Spannungsbogen, der mitreißt
Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass Kinder, die aus der angeblichen Norm und den Nazis in die Hände fielen, damals oft Grauenhaftes erleben mussten und viele umgebracht wurden. Unweigerlich denke ich an die Menschenversuche, die u. a. an Kindern verübt wurden, als Jacob im Keller des zerbombten und verfallenen Hauses steht und auf Einmachgläser schaut, in denen Organe schwimmen.
Vielleicht ist dies aber auch nur meine Fantasie. Ransom Riggs belässt es bei seiner Erzählung, ohne mir als Autor Deutungen seiner Geschichte aufzudrängen. Umso mehr aber versteht er es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der mich bis auf die letzte Seite mitreißt.
Fortsetzung folgt…
Welch ein Glück, dass ich herausgefunden habe, dass der Fortsetzungsband zu dem Buch gerade erst erschienen ist. Wer „Die Insel der besonderen Kinder“ liest, sollte sich am besten den zweiten Teil direkt aufs Nachtschränkchen legen. Der erste nämlich endet mit einem echten Cliffhanger. Wir dürfen also weiterhin gespannt sein.