Ja, sind wir denn hier in Münster plötzlich im Dschungel? Mit dem täuschend echten Ruf eines Schimpansen begrüßte die weltbekannte Primatenforscherin Jane Goodall am Mittwochabend ihre Gäste im Vortragsaal der Stadtwerke und erntete schon allein dafür Applaus. Fast zwei Stunden lang erzählte sie aus ihrem Leben und appellierte mit eindringlichen Worten an ihr Publikum, dem Schutz der Umwelt höchste Priorität einzuräumen.
Mit einem bescheidenen Lächeln betritt Jane Goodall die Bühne. Sie ist eine zierliche Frau von 81 Jahren. Die Bühne ist abgedunkelt, denn sie hat Augenprobleme. Im Arm trägt sie einen Stoffschimpansen, den sie – wie sie später erzählt – vor 25 Jahren von einem Blinden geschenkt bekam und der sie seitdem auf ihren Reisen begleitet.
Mit geschlossenen Augen
300 Tage im Jahr ist sie unterwegs. Während der Gitarrist und Komponist Wolfgang Netzer und der italienische Jazz-Klarinettist Gabriele Mirabassi live musizieren, schließt Goodall genussvoll die Augen. Musik sei immer ein bedeutender Teil ihres Lebens gewesen, sagt sie. Auf Anhieb strahlt diese Frau eine Warmherzigkeit aus, dass man sie knuddeln möchte.
Das kann jeder im Saal spüren. Wie sehr Jane Goodall für ihr Lebenswerk verehrt wird, wird gleich zu Beginn der Abendveranstaltung in Münster deutlich. Kaum hat sie die Bühne betreten, bricht begeisterter Applaus aus und die Menschen erheben sich von ihren Sitzen. Auch Moderatorin Shary Reeves berichtet: „Sie hat so großes Charisma, wie ich es noch nie bei einem Menschen erlebt habe.“
Zweites Zuhause
Mit ihren Forschungen brachte Jane Goodall den Lesern ihrer Bücher und Studien nicht nur die Natur näher, sie revolutionierte auch das Menschenbild. Der Regenwald Tansanias ist ihr zweites Zuhause. Dort begann sie vor mittlerweile 55 Jahren mit ihren Beobachtungen einer Schimpansen-Population im Gombe-Stream-Nationalpark. Die Untersuchung zählt zu den umfassendsten Langzeitstudien dieser Art. Noch heute wird sie fortgeführt.
Schon in jungen Jahren hatte Jane Goodall die Idee: „Ich wollte in den Dschungel gehen, Tiere beobachten und darüber Bücher schreiben.“ Dass sie derart bahnbrechende Erkenntnisse aus ihren Forschungen ziehen würde, ahnte sie freilich nicht, als sie als Kind vier Stunden in einem Stall verschwand, um dem Geheimnis von Henne und Ei auf die Spuren zu kommen. „Das war meine erste wissenschaftliche Beobachtung“, erzählt sie.
Komplexes Sozialverhalten
Vor allem der Film „Tarzan“ habe es ihr angetan. „Ich verliebte mich in diesen Mann, aber leider heiratete er die falsche Jane“, scherzt Goodall. Als sich ihr schließlich – Jahre später – die Gelegenheit bot, in Tansania zu den Schimpansen zu gehen, zögerte sie nicht. „Ich konnte das Wesen beobachten, das uns Menschen am allerähnlichsten ist.“
Dass diese Ähnlichkeit nicht allein in der Genetik und Anatomie zu finden ist, da ist sich Goodall sicher. „Das zeigt sich in ihrem Kommunikationsverhalten. Sie küssen, sie umarmen sich. Sie leben in einer sehr komplexen sozialen Struktur“, sagte sie. Auch die Herstellung von Werkzeugen konnte die Forscherin beobachten – ein Merkmal, das Wissenschaftler bis dato einzig dem Menschen zugesprochen hatten. „Die Schimpansen lehren uns sehr viel.“
Zwei Dinge unterschieden die Menschen jedoch grundlegend von anderen Primaten: die Fähigkeit, mit Worten zu sprechen, sowie die Fähigkeit, angeborene Aggressionen zu kontrollieren. „Jeder einzelne von uns macht täglich einen Unterschied. Die Wahl liegt bei uns, was am Ende den Unterschied genau ausmacht“, sagt sie.
Junge Menschen
Es sei kaum zu glauben, dass ausgerechnet das Wesen mit dem leistungsfähigsten Gehirn den Planeten zerstöre. „Etwas läuft da gewaltig schief.“ Dass der Weg zu einer besseren Welt kein leichter ist, gibt auch Jane Goodall zu. Die Hoffnung aufgegeben aber hat sie noch lange nicht. „Ich glaube daran, dass wir es schaffen können. Einer der Gründe, warum ich die Hoffnung nicht verliere, sind die vielen engagierten jungen Menschen, die ich auf der ganzen Welt antreffe.“
Geduldig gab Jane Goodall nach der Veranstaltung Autogramme und ließ sich fotografieren. Der Erlös der Veranstaltung kommt dem Jane-Goodall-Institut zugute. Mehr Infos über die Arbeit des Institutes finden sich hier.