Seit einer Woche bin ich draußen. In der Natur, fernab größerer Menschenansammlungen. Die sind dieser Tage ohnehin nicht gefragt. Für mich bedeuten Ruhe und Abgeschiedenheit den perfekten Ausklang für ein ungewöhnliches Jahr. Heute schreibe ich über positive Dinge, die mir 2020 gebracht hat.
Die Zeit zwischen den Jahren nutze ich traditionell für Reflexion. Die Podcast-Folge „So dankbar kann man für 2020 sein“ von Gordon Schönwälder gab den Anstoß, dies auch in die Form eines Blog-Beitrags zu gießen.
Mir ist bewusst, dass dieses Jahr für viele Menschen mehr als belastend war und ihnen viel abverlangt hat. Dass sie große Ängste durchgestanden und auch Verluste erlitten haben – und dies weiterhin der Fall ist. Manch eine*r allerdings jammert auf hohem Niveau. Wo weder die Existenz gefährdet ist noch Leib, Psyche und Leben akut bedroht werden, finden sich zahlreiche Gründe, dankbar zu sein. Hier sind meine.
1. Klarheit über meine (berufliche) Zukunft
Januar und Februar waren für mich geprägt von grundlegenden Fragen. Ich setzte meine Coaching-Ausbildung fort, die ich im Dezember begonnen hatte. Hintergrund war, dass ich mich mit Mitarbeiterentwicklung beschäftigen und mir durch den Kurs neue Kommunikations-Kenntnisse drauf schaffen wollte.
Nun ist es so, dass eine solche Ausbildung gleichzeitig auch zur Selbstreflexion anregt. Wo du lernst, andere in der Formulierung ihrer Ziele und Bedürfnisse zu unterstützen, betrachtest du dich auch selbst noch einmal neu. So ging es mir jedenfalls. Parallel dazu startete in meiner Firma ein Beratungs-Prozess, währenddessen dieselben Fragen in etwas anderer Form gestellt wurden. Zum Beispiel:
- Was treibt dich morgens ins Büro? Warum kommst du gerne zur Arbeit?
- Was würdest du gerne an deiner aktuellen Situation/am Arbeitsplatz ändern wollen?
- Welche Hürden, Blockaden und Hindernisse stehen derzeit der optimalen Erfüllung deiner Aufgaben im Weg?
- v.m.
Mir wurde noch einmal deutlich, wie wenig ich an Status-Symbolen und oberflächlichem Schulterklopfen hänge und wie wesentlich für mich ein wertschätzendes Umfeld und nachhaltige Entwicklungen sind. Was das für 2020 konkret bedeutete, konnte ich noch nicht ahnen. Dann kam Corona.
2. Neuer Job, neues Glück
Wenn du für dich grundlegende Fragen beantwortet hast, stellen sich andere einfach nicht. Zum Beispiel die, ob du bereit bist, einen imageträchtigen (Job-)Titel abzugeben, wenn im Gegenzug das neue Umfeld so viel besser zu dir passt. Um es vorweg zu nehmen: Zum 1. Oktober wechselte ich den Verlag und wurde von der Verlagsleiterin in dem einen zur „einfachen“ Redakteurin in dem neuen. So what.
Zwei grundlegende Motive treiben mich an: Wissen zu erlangen und positive Entwicklungen anzustoßen. Ob ich dies nun als Ausbilderin und Teamleiterin an der einen Stelle oder in einem anderen Rahmen tun kann, ist mir gar nicht so wichtig. Aber dass es möglich ist, ohne ausgebremst zu werden, das ist entscheidend für mich. Wenn ich eines in der Systemischen Coaching-Ausbildung mitgenommen habe, dann das: Jedes System ist komplex und spielt nach seinen eigenen Regeln. Du entscheidest, welche Rolle du darin einnimmst. Und wenn es für dich nicht mehr passt? Ändere es!
Die Corona-Krise und der Umgang damit in meiner alten Firma machten sichtbar, dass es Zeit für mich war, einen Wandel anzustoßen und den nächsten Schritt zu gehen. Ich war offen für Neues und hatte keine Angst davor. Im Gegenteil, ich nahm die Fortentwicklung aktiv in Angriff. Meine neue Stelle trat ich im Oktober an. Ich denke, ich habe es gut getroffen und bin im Nachhinein sehr zufrieden, wie alles gekommen ist.
3. Juhu, ein weiteres Zertifikat!
Die Coaching-Ausbildung bestand aus Präsenz-Seminaren, Online-Learning und Live-Coachings, die ich dokumentieren musste. Im April sollte die Prüfung sein, das fiel dank Corona erstmal ins Wasser. Da zu diesem Zeitpunkt anderes meine Aufmerksamkeit forderte, kam es mir ganz recht.
Für meine Live-Coachings, in denen ich das Gelernte anwenden konnte, bekam ich Zeit geschenkt. Mehrere führte ich vor Ort durch, eines über digitale Medien. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv, das gab mir eine Menge Auftrieb in einer krisengeschüttelten Zeit. Mit reichlich Verspätung fand dann auch noch die Prüfung statt, sodass ich mich nun offiziell Systemischer Business Coach nennen darf. Yay!
Mein Dank gilt an dieser Stelle ausnahmslos allen Coachees, die mir in dieser Phase ihr Vertrauen schenkten und durch ihr Feedback halfen, den Prozess zu reflektieren. Oder wie Stephen R. Covey sagen würde: meine Axt zu schärfen.
4. Rückhalt und neue Netzwerke
Wenn du dich fortbewegst, kommt oft auch Bewegung in dein Umfeld. In meinem Fall lernte ich während verschiedener Fortbildungen – die Coaching-Ausbildung war nicht die einzige – viele neue und inspirierende Menschen kennen. Es kommt auch vor, dass sich bereits bestehende Beziehungen wandeln und manche an Intensität verlieren.
Mir ist wichtig, mich mit Menschen zu umgeben, die bestärken, statt zu verunsichern. Die einen konstruktiven Umgang pflegen und dich nicht klein halten wollen. Die mit sich selbst weitestgehend im Reinen sind und daher keinen Grund haben, anderen ihre Erfolge zu neiden oder diese schlecht zu reden. Die ihre eigene Unzufriedenheit einfach nicht an anderen auslassen. Und hier und da Rückgrat zeigen finde ich auch nicht so schlecht.
Ich freue mich sehr, dass ich über die Monate mehrere neue Netzwerke für mich erschließen konnte, in denen genau so ein konstruktiver und wertschätzender Geist herrscht. Während meiner beruflichen Neuorientierung holte ich mir darüber hinaus professionelle Unterstützung. Hervorheben möchte ich diese drei Frauen, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen:
- Anna Mombers-Heers: Anna ist einfach ein Herzensmensch, ein toller Coach und ihres Zeichens Performance Expertin. Die Mischung aus praxisnahen Acting Tools und Coaching-Methoden kommt mir alten Theaterhäsin natürlich sehr gelegen. Wer sich beispielsweise mit Wirkungstraining auseinandersetzen möchte, ist bei ihr in den besten Händen. Außerdem kam ich aus kaum einer Session ohne Buch-Tipp nach Hause. Ein Träumchen!
- Claudia Bernert: Lange Zeit arbeitete Claudia selbst in einem Versandhandelskonzern, führte Teams und setzte sich als Diplom-Betriebswirtin sowie Organisationsentwicklerin mit Kommunikationsmustern in Unternehmen auseinander. Als Coach vereint sie ihre Leidenschaft für persönliche Entwicklungs- und wirtschaftliche Erfolgsprozesse. Eine tolle Ansprechpartnerin, wenn es um Krisenkommunikation und Führung geht.
- Astrid Christofori: Nicht zum ersten Mal habe ich Astrid als zuverlässige und professionelle Anwältin an meiner Seite erlebt, die mit Genauigkeit und für mich gut verständlich in Sachen neuer Arbeitsvertrag berät. Falls du ein entsprechendes Anliegen hast, bist du bei ihr richtig.
5. Viel Zeit für mich
Zweifelsohne brachte 2020 auch viel Me-Time, die ich so nicht geplant hatte. Zwischen April und August trat ich aufgrund von Kurzarbeit beruflich, naja, kürzer. Nachdem ich meine Kündigung ausgesprochen hatte, zeigte mir meine Gesundheit auf, dass meine Ressourcen aufgebraucht waren, und zwang mich ebenfalls zur Ruhe. Allein dadurch gewann ich Zeit, in der ich mich mit anderen Tätigkeiten oder einfach nur mit Gesundwerden und Durchatmen beschäftigen durfte.
Absolut gewöhnungsbedürftig war aber vor allem die Tatsache für mich, dass während der Shutdown-Phasen mein wohl organisiertes Freizeit-Leben nicht mehr in der Form stattfinden konnte, die ich gewohnt war. Freie Abende statt Vereinsleben, freie Wochenenden statt Barcamps und Kurzurlauben. Keine Vortragsreisen, so gut wie keine Konferenzen.
Unterm Strich habe ich die Ruhe gebraucht und auch genossen. Die Zeit nutzte ich, um zu lesen, zu stricken, gute Gespräche zu führen, Ideen zu spinnen, spazieren zu gehen – und für andere Vorhaben, die lange in der Pipeline lagen und dort bereits Schimmel angesetzt hatten. Siehe Punkt 6.
6. Ein renoviertes Schlafzimmer
Zum Beispiel möbelte ich mein Schlafzimmer auf! Halleluja! Wie lange stand das schon auf meiner Liste! Die letzten zweieinhalb Jahre hatte ich alles dem Fortkommen im Job untergeordnet, hatte viele, viele Überstunden gemacht und daher manches andere Grundlegende vernachlässigt. Nun war es soweit und ich widmete mich Wandfarbe und neuen Möbeln.
Besonders freue ich mich seither jeden Morgen an einem Bild, das ich mir Jahre zuvor von einem Bali-Urlaub mitgebracht hatte. Ich wusste immer, wo es hängen würde, hatte mir seitdem allerdings nicht die Zeit genommen, das Zimmer entsprechend zu gestalten. Nun endlich ist der Raum ein Ruhe- und Kraftort zugleich, genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Und das Bild hängt.
7. Selbstvertrauen
Natürlich gibt es auch dem Selbstvertrauen einen Schub, wenn du dich in Konflikten als wirksam erlebst. Wenn du merkst, wie leicht inzwischen Entscheidungen fallen, mit denen du vor rund zehn Jahren vermutlich noch sehr gehadert hättest. Widerstände, der abschätzige Blick „der Anderen“, veraltete Konventionen – all das verliert an Bedeutung. Sätze, die auch nur entfernt an „Das haben wir immer so gemacht“ oder „Was sollen die Nachbar*innen/Kolleg*innen/Sonstwer denken“ erinnern, werden belächelt und durch eigene Werte und Überzeugungen ersetzt.
Das Leben ist zu kurz, um den Erwartungen anderer zu entsprechen, wenn sie gegen deine eigenen Prinzipien und Bedürfnisse stehen. Dass es nicht immer leichtfällt, Menschen auch mal enttäuschen zu müssen, um sich weiterzuentwickeln und voranzukommen, steht auf einem anderen Blatt. Auf diese Weise emotional manipulieren lasse ich mich allerdings nicht mehr. Instrumentalisieren auch nicht. So gesehen war 2020 auch in puncto Selbstvertrauen noch einmal eine gute Lehrmeisterin.
8. Brotback-Skills
Noch eine Sache, der ich mit Spaß meine gewonnene Zeit gewidmet habe, ist das Brotbacken. In meinem neuen Verlag schreibe ich nicht mehr nur über Bäckerei-Unternehmen, sondern auch für Hobby-Bäcker*innen, die ihr Brot in der heimischen Küche herstellen. Entsprechend reizte es mich, diese handwerkliche Tätigkeit selbst auszuprobieren.
Inzwischen backe ich mit großer Freude etwa ein Brot in der Woche und werde immer sicherer dabei. Bald schon werde ich eigene Rezepte entwickeln können. Das Thema Selbstwirksamkeit spielt auch hierbei eine Rolle. Die tägliche To-go-Ernährung, die meiner Pendelei geschuldet war, gehört der Vergangenheit an. Ich ernähre mich wieder bewusster und auch gesünder. Und da ich auch nach Rückkehr zur Normalität im Homeoffice bleiben werde, sehe ich einer positiven Brotback- und Selbstversorgungs-Zukunft entgegen.
Zum Glück werde ich nach wie vor in der Welt der Bäcker*innen unterwegs sein und den Profis in ihren Backstuben über die Schulter schauen können. Mit wachsendem Fachwissen über Teigbereitung, Rohstoffe und Backprozesse allerdings. Welche Bereicherung!
9. Sicherheit und Sicherung
Apropos mehr Sicherheit. Eine weitere Sache, die ewig auf meiner To-do-Liste stand, war der Punkt Datensicherung. Auch diesen konnte ich 2020 endlich abhaken. Einer Freundin hat es vor nicht allzu langer Zeit die externe Festplatte zerlegt beziehungsweise ihre Daten darauf geschrottet. Trotzdem habe ich viel zu lange verdrängt, dass meine Bilder, Unterlagen und Texte dasselbe Schicksal erleiden könnten.
Inzwischen habe ich das Problem gelöst und bin erleichtert. Hätte ich längst tun sollen, war gar nicht so aufwendig, wie ich dachte. Es ist doch erstaunlich, wie viele Vorhaben wir so vor uns herschieben und dadurch wertvolle gedankliche Ressourcen binden, ohne in die Umsetzung zu kommen. Tja, hinterher ist frau schlauer. Haken hinter. (Danke, Flo!)
10. Neue Ziele
Im kommenden Jahr habe ich viel vor. 2020 gab mir die Möglichkeit, dies in Ruhe zu reflektieren und neue Pläne zu schmieden. Nach drei Monaten habe ich mich im neuen Job gut eingearbeitet und die Arbeitsabläufe im Unternehmen kennengelernt. Für 2021 stehen neben den regelmäßig erscheinenden Zeitschriften dort einige Vorhaben an, auf die ich mich sehr freue und die uns als Verlag voranbringen werden. Mit sympathischen Kolleg*innen und vielseitigen Inhalten.
Auch nebenberuflich und privat warten Projekte auf mich, die mich motivieren und ausreichend fordern, um nicht einzurosten. Kreatives, Kontemplatives, Konstruktives. Hauptsache, ich kann dazulernen und positive Entwicklungen anstoßen. Stay tuned. Ich werde beizeiten davon berichten.
Einige deiner Punkte stimmen mit meinen vollkommen überein. Vor allem Punkt Nr. 7. war für mich in 2020 der wichtigtste Punkt.
Hallo Mina, das freut mich. Vielleicht magst du erzählen, inwiefern Punkt 7 für dich wichtig war? VG, Edda Transparenzhinweis: Den Werbelink habe ich entfernt. 😉