[Rezension] Die Hummerschwestern – Beverly Jensen

Als Beverly Jensen begann, die Geschichte ihrer Mutter Idella und deren Schwester Avis aufzuschreiben, ahnte sie nicht, dass das Werk einmal ein Bestseller werden würde. Sie erlebte es auch nicht mehr, denn sieben Jahre vor der Veröffentlichung starb sie an Krebs. 2010 fügte ihr Ehemann die Kurzgeschichten chronologisch zusammen und suchte einen Verlag für den so entstandenen Roman. Seitdem faszinierte die Geschichte tausende Leser.

Zurecht, denn „Die Hummerschwestern“ ist eine ungeschönte Schilderung der Lebensverhältnisse unter Hummerfischern in Kanada Anfang des 20. Jahrhundert. Gleichzeitig ist es eine wahre Liebesgeschichte einer Tochter über zwei Frauen, die nach dem Kindbetttod ihrer Mutter sehr unterschiedliche Lebenswege beschritten. Die eine ist exzentrisch, sucht Erfüllung im Abenteuer, die andere wählt einen bürgerlichen Weg. Zeitlebens bleiben die Schwestern verbunden, ihr unterschiedliches Temperament sorgt für reichlich Konfliktstoff.

Schwere Kost mit Leichtigkeit erzählt

Die fehlende Romandramaturgie tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, durch Idella und Avis sind sie jedoch verbunden. Ohne zu werten und mit Sorgfalt zeichnet Jensen die Anekdoten nach, formt liebevoll Stärken und Marotten zu mehrdimensionalen Charakteren. Beispielsweise als Avis und ihr Bruder Dalton den Sarg des Vaters auf dem Bahnhof aus den Augen verlieren. Oder als Idella wenige Jahre zuvor den Überfall eines Halbstarken auf ihren Laden mit offenen Armen und einem großen Herz pariert.

Es überwiegen die beschwerlichen und kraftzehrenden Ereignisse in der Erzählung, dennoch lesen sich „Die Hummerschwestern“ mit großer Leichtigkeit. Vielleicht ist dies der Lebensphilosophie geschuldet, die die Kinder als Mädchen an der Steilküste in New Brunswick/Kanada erlernen mussten: Das Leben gibt, das Leben nimmt, es liegt an dir, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen.

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